Was ist Integration und wie wollen wir sie leben?

Ein Beitrag von Debora

 

Diese Fragen haben wir uns bei dem Besuch des Mädchen-Kultur-Treffs Dünja, einer Einrichtung des gemeinnützigen Trägers „Moabiter Ratschlag“ e.V., gestellt.

Die Impulse für die Arbeit des Vereins kommen von den Menschen aus Moabit und finden sich in den Angeboten zu Bildung, Beratung, sozialer Betreuung und Freizeitgestaltung wieder.

 

Wer ist diese „Dünja“ eigentlich?

Bei Dünja werden Mädchen und junge Frauen, überwiegend mit Migrationshintergrund, bei ihrem schulischen, beruflichen und persönlichen Lebensweg gefördert. Mit dem Ziel junge Frauen zu stärken, leisten die Sozialarbeiter*innen und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen von Dünja wichtige Arbeit, für das, was man allgemein als „Integration“ bezeichnet. Doch der Kultur-Treff ist viel mehr als ein Ort, an dem Mädchen und junge Frauen Unterstützung in schulischen Fragen erhalten. Die beiden ehemaligen Dünja-Besucherinnen Canan und Yasmin, die nun selbst als Mitarbeiterinnen bei Dünja aktiv sind, haben uns durch den Abend geleitet und mit ihrem persönlichen Werdegang verdeutlicht: Dünja bedeutet vor allem Heimat für sie.

Integration bedeutet für sie Teil einer Gemeinschaft zu sein und sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft verstehen zu können. Die Idee von Dünja entspringt keinem bildungspolitischen Integrationsprogramm, sondern der Eigeninitiative einer Gruppe arabischstämmiger, junger Frauen*, sich die Heimat selbst zu schaffen.

 

Die Mädchenförderung ist immer noch eine wichtige Aufgabe in unserer Gesellschaft, da die Gleichberechtigung noch nicht erreicht ist. Viele Mädchen erhalten in ihren Familien keine Unterstützung und die geschlechtertypischen Rollenverteilungen sind sehr stark ausgeprägt. Deshalb bedürfen Mädchen und junge Frauen Unterstützung zur Stärkung ihres Selbstvertrauens und Begleitung auf ihrem Lebensweg. Gerade für jene, die einen anderen als den für sie angedachten Weg gehen wollen, – nicht heiraten, aber trotzdem von zu Hause ausziehen wollen, einen festen Freund haben, lesbische Orientierung, […] um nur einige Herausforderungen zu nennen, – ist es besonders schwer. Viele junge Dünja-Frauen sind die Ersten in ihrer Familie, die studieren oder in Deutschland eine Ausbildung absolvieren.“ 

Marietta Heuck – Leiterin des Kultur-Treffs Dünja

 

Im Rahmen des Kulturprojekts, in dem die Mädchen sich über ihre Kulturen und Werte austauschen, bieten sich von der selbstorganisierten Talentshow bis zum gemeinsamen Kochen, offene Hausaufgabenhilfe, Sprachförderung oder Computertraining viele Möglichkeiten sich einzubringen und die eigenen Fähigkeiten zu entfalten. Hierbei steht der Ausgleich sozialer Benachteiligung im Fokus.

Durch die arabischsprachigen Müttergruppen wird zudem ein Aufeinander-Zugehen auf Augenhöhe möglich. Dies ist für die pädagogische Arbeit sehr bereichernd. Auch geflüchtete, junge Frauen* finden hier eine Anlaufstelle.

 

Wo liegen die Probleme?

Immer weiter steigende Mieten führen dazu, dass gemeinnützige Vereine ihre Räumlichkeiten verlieren. Moabit, aber vor allem der ganze Bezirk Mitte muss auch für einkommensschwache Familien lebenswert und vielfältiger Lebensmittelpunkt bleiben.

 

Die arabischsprachigen Mütterangebote im Dünja sind ein festes Angebot und der Bedarf ist groß. Leider gibt es für hierfür keine Regelfinanzierung, der Verein muss jedes Jahr neue Finanzierungen akquirieren.

 

Das Engagement der jungen Dünja-Frauen* ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Arbeit. Es muss möglich sein, dass diese eine Aufwandsentschädigung dafür erhalten. Bisher ist diese Arbeit jährlich auf neue Spender*innen angewiesen.

 

Bürokratie der EU finanzierten Projekte: Auf der einen Seite wächst der Umfang an bürokratischem Aufwand, parallel dazu jedoch nicht die Mittel für Koordination und Verwaltung. Es kann nicht sein, dass diese Aufgaben ehrenamtlich geleistet werden müssen.

 

Durch den Fachkräftemangel im pädagogischen Bereich nimmt die Suche nach geeigneten Erzieher* – und Sozialarbeiter*innen viel Zeit in Anspruch. Hier ist es vor allem sehr schwer, Mitarbeiter*innen mit den erforderlichen Sprachkenntnissen zu finden, die für die entsprechende Zielgruppe wichtig sind.

 

Um Diskriminierungen auf Grund der Religion, vor allem der muslimischen Religion, entgegenzuwirken, muss Klarheit im Kopftuchstreit im Sinne der Eigenverantwortung der Frauen* hergestellt werden.

 

Integration: eine gemeinsame Heimat schaffen

In einer Zeit, in der rechtskonservative Politiker*innen den Begriff „Leitkultur“ unmittelbar in Verbindung mit Integration setzen, ist ein Kultur-Treff wie Dünja die richtige Antwort darauf. Die Mädchen und jungen Frauen* benötigen keine Leitkultur, sie leben durch ein interkulturelles Miteinander, bei dem jede* unabhängig der Herkunft willkommen ist, eine eigene Kultur der Toleranz, Hilfsbereitschaft und des sich Verstehen-Wollens. Durch den sozialen und bildungspolitischen Erfolg, den die Arbeit von Dünja hervorgebracht hat, erweist sich dieses Kulturverständnis um einiges progressiver, als eine auferlegte Assimilierung.

An Dünja sieht man, dass nicht die Frage nach Integration ein Problem in unserer Gesellschaft darstellt, sondern die mangelnde Bereitschaft eine gemeinsame Heimat zu finden – unabhängig der eigenen Herkunft oder der der Eltern.

Wir Jusos verstehen unsere Gesellschaft als einen Ort, der von einem interkulturellen Miteinander geprägt ist. Die Frage der Integration erübrigt sich, wenn wir gemeinsam die Gesellschaft bilden, in der jede*r seinen*ihren Platz finden und sich frei entfalten kann.

 

Wie Du Dünja unterstützen kannst:

Werde Bildungspatin* und unterstütze Mädchen und junge Frauen bei ihrer schulischen und beruflichen Laufbahn. Die Patenschaften werden von Dünja begleitet, durch sie erhalten die Mädchen eine individuelle, auf sie abgestimmte Förderung und lernen neue Vorbilder kennen.

 

Bei Interesse findest du den Kontakt zur Leiterin Marietta Heuck hier!